Das neue Jahr bringt viele Veränderungen. Die wichtigste Veränderung der freedom manufaktur… bin ich! Hi, ich bin Florian, der Neue hier, ich werde den Großteil unserer Texte unter meine Schirmherrschaft nehmen. Beginnen werde ich damit, von meiner ersten Begegnung mit der Freiheit zu berichten: meinem Vorstellungsgespräch.

Unvorbereitet

Es ist Freitag und ich bin auf dem Weg in die Freiheit. Der Weg ist lang. Stresow ist weit weg vom Wedding. Es ist bei Weitem nicht das erste Bewerbungsgespräch dieser Woche. Ich bin erschöpft,  habe wenig Lust – und wenig Ahnung, was die freedom manufaktur eigentlich macht. Mir fehlte nach einer langen Arbeits- und Bewerbungswoche einfach die Lust, mich detailliert über eine weitere Firma zu informieren.

Was ich weiß, ist, dass die Stellenausschreibung unglaublich sympathisch war. Außerdem habe ich Philipps Blog-Eintrag über die Schattenseiten der Freiheit gelesen, der mir außerordentlich imponierte. Ich hoffe einfach, dass das reicht. Wenn nicht, ist das auch nicht schlimm. Dann kommt dies einfach auf die Liste vermasselter Vorstellungsgespräche.

Überrumpelt

Das Gespräch fängt an und die erste Frage erwischt mich gleich auf kaltem Fuß: „Wer bist du? Wer ist Florian? Erzähl mal.“ fordert René von mir, der neben mir sitzt.

Oh je. Wie fasst man sich selbst mal eben so spontan zusammen? Und wie vermittelt man diesen Eindruck dann auch den Zuhörern? Ich kann natürlich behaupten, ich sei extrem ehrgeizig, fleißig und verantwortungsbewusst. Aber selbst wenn das stimmen würde, würde das nicht mein Problem lösen: Aussagen über sich zu treffen, führt nicht dazu, dass irgendjemand danach wirklich weiß, wer man ist. Das ist, wie wenn ein Roman-Autor schreiben würde: „Und dann kam eine gruselige Stimmung auf“, um damit eine gruselige Stimmung bei den LeserInnen zu erzeugen. So funktioniert das nicht.

Ich rede trotzdem drauf los. Ich sage einfach, was mir in den Sinn kommt. Die Worte Ehrgeiz, Fleiß und Verantwortungsbewusstsein kommen nicht vor. Ich höre mich selbst reden und merke dabei: Diese Antwort habe ich vergeigt! Nicht nur kann ich mich nicht in so kurzer Zeit adäquat beschreiben, auch sollte ich das gar nicht. Darum ging es überhaupt nicht. Es ging einfach nur darum, zu zeigen, wie gut ich mich präsentieren kann. Und ich versemmelte schon diese erste Herausforderung wie im Bilderbuch. Aber was soll’s. Nur ein weiteres vermasseltes Vorstellungsgespräch. Schnell vorbei und schnell vergessen. Immerhin muss ich heute nicht arbeiten. In meinem aktuellen Job würde ich jetzt gerade Mittagspause machen. Der zweitbeste Teil meines Arbeitstages dort, gleich nach dem Feierabend.

Ahnungslos

Die Selbstvorstellung ist vorbei und jetzt kommt die nächste Frage. Christian, der mit verschränkten Armen gegen einen Tisch gelehnt auf mich herab blickt, fordert von mir: „Erzähl doch mal, wer wir so sind und was wir hier deiner Meinung nach machen!“

Ich habe keine Ahnung. Wirklich überhaupt keine. Aber keine Panik! Hier an der Wand stehen offenbar die Core-Values der freedom manufaktur und da steht auch „Ehrlichkeit“. Also gebe ich mein Unwissen offen zu und erkläre dann: „Ich hatte gehofft, das würdet ihr mir erklären.“ – Die Reaktionen darauf sind verhalten. Ich renne damit keine offenen Türen ein. „Naja“, füge ich hinzu, „schließlich ist so ein Vorstellungsgespräch eine beidseitige Sache.“

Das bringt abfälliges Gelächter hervor. Keine gute Stimmung im Raum. Ich bekomme den Eindruck, die Herren versuchen gerade, sich möglichst unsympathisch zu präsentieren. Aber warum? Dann dämmert es mir: Sie wollen mich aus der Reserve locken. Sie wollen mich herausfordern und sehen, wie ich mich schlage. Also gut, denke ich, könnt ihr haben. Hartnäckig fordere ich also: „Stellt ihr euch doch mal mir vor. Wer seid ihr und was macht ihr eigentlich so?“

Hin und her gerissen

Endlich fangen sie an zu erzählen. Und aufzuwärmen. Was mir da berichtet wird, klingt nicht uninteressant. Das ist schonmal mehr, als ich über meinen aktuellen Job sagen kann. In diesem würde ich jetzt langsam aus der Mittagspause zurückkommen, mich an meinen Rechner setzen, das nächste langweilige Thema bearbeiten und hoffen, dass die Stunden bis zum Feierabend vorübergehen, ohne dass mein Chef vorbeikommt und mir Fragen stellt, für deren Antworten er zu ungeduldig ist.

„Wir haben hier keinen Chef, der dich kontrolliert“, sagt René. „Oder doch: Wir haben Chefs. Viele. Wir sind hier alle Chefs und wenn du hier arbeitest, bist auch du Chef.“ Dabei piekst er mich mit seinem Finger. Für einen Moment bin ich hin und hergerissen zwischen den Fragen: „Und wem gehört dann die Firma?“ und: „Hast du gerade meine Gedanken gelesen?“

Ich frage daher nichts, sondern gucke nur blöd aus der Wäsche. René redet derweil weiter. Er erzählt von den Freiheiten, von dem nonkonformistischen Herangehen an die ganze Arbeitssituation, die sie sich hier auf die Fahnen geschrieben haben, von den (sympathischen) Grundsätzen und von vielem mehr. Mein erster Eindruck ist der: Die freedom manufaktur findet sich selbst ziemlich geil.

Erst als René sagt, sie würden in dieser Firma nicht auf unbegrenztes Wachstum setzen, keimt in mir ein Verdacht: Kann es sein, dass sie sich hier völlig zurecht für so geil halten?

Die vier Herren haben ganz eindeutig keine Lust, keine Lust auf ihren Job zu haben. Sie wollen nicht über Montage schimpfen oder geduldig die Stunden bis zum Feierabend absitzen. Sie wollen nicht, dass der Feierabend der Höhepunkt ihres Tages ist.

Ich will das auch nicht mehr. Wollte ich auch noch nie. Aber bisher hielt ich das für alternativlos.

Ich wittere meine Chance, dem klassischen, tradierten Büro-Leben den Rücken zu kehren. Und, mal ehrlich, der konventionelle Job-Alltag hat sich für mich wirklich nicht bewehrt. Ich werde es nicht vermissen, mich so zu fühlen, als wäre ich in einer Stromberg-Episode gefangen.

Erfolg!

Unser Gespräch geht noch einige Zeit weiter. Offenbar gebe ich nicht nur dämliche Antworten. Irgendwann schlage ich vor, wir könnten uns ja jetzt ein paar Tage Gedanken machen und nächste Woche gegenseitig mitteilen, ob wir uns haben wollen. René lehnt das ab.

„Du kannst dir vielleicht Gedanken machen. Aber wir entscheiden das jetzt.“

Und das tun sie. In meinem Beisein. René, Martin, Philipp und Christian sagen mir der Reihe nach ihre Meinung. Ich bekomme vier Daumen nach oben. Jeder von ihnen hat Lust, mich ins Team aufzunehmen. So viel positives Feedback habe ich in meinem aktuellen Job im ganzen Jahr noch nicht bekommen – und hier werde ich damit umgehauen, noch bevor ich überhaupt angefangen habe zu arbeiten. – Doch gerade, als ich innerlich einen Sekt aufmachen will, sagt Christian: „Eins müssen will ich aber doch nochmal ganz klar fragen: Wollen wir wirklich einen Content Manager? Ist das das, was wir jetzt brauchen?“

Ich bin irritiert. Hätten sie sich das nicht vor der Stellenausschreibung überlegen können?

Na gut. Wenn ich hier arbeite, passiert sowas nicht, verspreche ich mir, während René dafür argumentiert, dass ich genau das bin, was die freedom manufaktur jetzt benötigt.