Du willst lernen, so richtig schön locker und flockig zu schreiben? Du willst deine Leser mit deinen großartigen Texten begeistern? Da kann ich dir auch nicht helfen.
Tut mir leid. Das musst du selbst üben. Aber ich gebe dir gerne ein paar Einsteiger-Tipps, damit du weißt, worauf du beim Üben achten kannst. Mit diesen Ratschlägen (und viel Übung) wirst du auf jeden Fall ein gutes Stück weiterkommen auf deinem Weg zum großartigen Text. Ich selbst muss sie mir auch immer wieder vergegenwärtigen, damit ich nicht in einen schlechten Stil abrutsche. Vor allem #5 finde ich immer noch extrem herausfordernd.
Aber genug geschwätzt. Los geht’s mit einer grundlegenden Tatsache, die sich jeder Schreibende auf den Handrücken tätowieren sollte:

Einer muss sich schließlich immer quälen – der Autor beim Formulieren oder der Leser bei der Lektüre

Michael Biermann in: Schreiben ohne Schnörkel

Schreiben ist Arbeit. Und jede Mühe, die du dir beim Schreiben nicht machst, muss deine Leserin ausbügeln. Ich empfehle, dies immer im Hinterkopf zu behalten, wenn du dich fragst, ob es jetzt wirklich nötig ist, über den geschriebenen Text nochmal rüberzugehen, oder ob du dir das nicht vielleicht sparen kannst. Wenn du es nicht tust, bürdest du deiner Leserin Arbeit auf. Entscheide selbst, ob du das willst. Apropos nochmal Drüberlesen…

Besser schreiben Tipp #1 – Mehrfach Korrekturlesen

Die Tipps, die jetzt gleich kommen, schon während des Schreibens zu beherzigen, ist natürlich Trumpf. Aber so einfach funktioniert das selten. Jedenfalls nicht von Anfang an. Deshalb empfehle ich, den Text immer erst mal runterzuschreiben und ihn dann drei Mal (!) korrektur zu lesen. Beim ersten Mal achtest du nur auf den Inhalt. Beim zweiten Mal nur auf den Stil. Beim dritten Mal liest du nicht mehr über den gesamten Text, sondern durchsuchst ihn nach den Stichwörtern „und“ und „dass“. Dazu später mehr.

Besser schreiben Tipp #2 – Lange Sätze vermeiden

Lange Bandwurmsätze galten mal als schick. Zumindest in Deutschland. Seien es Roman-Autoren oder Geisteswissenschaftler, in vielen älteren Texten finden sich geradezu absurd lange Satz-Konstruktionen. Vor allem in der Wissenschaft haben sich diese Hypotaxe teilweise bis heute erhalten. Dabei weiß jeder, der sich mal durch Kant, Kleist oder Mann gekämpft hat, wie anstrengend sowas zu lesen ist. Deine Leser absichtlich anzustrengen, obwohl dies vermeidbar wäre, gehört nicht zum guten Ton. Wenn sie am Ende deines Satzes nicht mehr wissen, wie er angefangen hat, werden sie die Lektüre eher abbrechen, als von vorne anzufangen. Wenn du also über deinen Text drüberliest, schau mal, ob du irgendwo zu lange Sätze drin hast – und kürze sie.
Du erkennst einen zu langen Satz daran, dass er mehr als drei Zeilen umfasst. (Auf einer A4-Seite bei normaler Schriftgröße und Schriftart.)

Besser schreiben Tipp #3 – Weniger „und“

Auf Platz drei der am häufigsten verwendeten Worte ist die Konjunktion und.
Bestimmt gilt das auch für deinen Text. Wieso also nicht ein paar unds streichen? Schließlich führen gerade sie regelmäßig zu viel zu langen Sätzen.
In Sätzen mit und lässt sich die Konjunktion oft ersatzlos streichen und dann kann man mit wenig Mühe zwei Sätze draus machen. In Sätzen mit und lässt sich die Konjunktion oft ersatzlos streichen. Dann kann man mit wenig Mühe zwei Sätze draus machen.
Nur wenn dies nicht mühelos geht, hat das und seine Berechtigung und darf bleiben. (<— Wie in diesem Satz. Hier darf es bleiben. Würde ich aber unbedingt ein paar und streichen wollen, könnte es genausogut weg.)
Mein Tipp: Beim dritten Korrekturlesen die Suchfunktion (STRG+F) benutzen und nach und suchen. Jedes und genau unter die Lupe nehmen, ob es nicht weg kann, sodass zwei kurze statt ein langer Satz entstehen.
Ja, das ist ein zusätzlicher Arbeitsschritt. Er kostet Zeit und Mühe. Aber er führt mit relativ wenig Aufwand zu wesentlich besseren Texten.

Besser schreiben Tipp #4 – Weniger „dass“

Dass dass nur auf Platz 29 der meistverwendeten deutschen Worte steht, ist kein Grund, zu glauben, dass du es nicht viel zu oft verwendet hättest du hättest es nicht viel zu oft verwendet. Sätze mit dass lassen sich oft leicht umformulieren. Noch zwei Beispiele:

SIM-Karten ermöglichen es, dass die Leistungen eines Mobilfunk-Vertrages auch mit anderen Handys genutzt werden können.

Besser wäre: SIM-Karten ermöglichen es, die Leistungen eines Mobilfunk-Vertrages auch mit anderen Handys zu nutzen.

Ein weiteres Beispiel aus demselben Artikel:

Schon bei der Festlegung des UMTS-Standards Ende der 90er Jahre wurde angenommen, dass zukünftig entwickelte mobile Endgeräte tendenziell immer kleiner werden und dementsprechend auch die SIM-Karten-Größe angepasst werden müsste.

Deutlich besser wäre: Schon bei der Festlegung des UMTS-Standard Ende der 90er Jahre wurde angenommen, zukünftig entwickelte mobile Endgeräte würden tendenziell immer kleiner werden. Dementsprechend müsse auch die SIM-Karten-Größe angepasst werden.

Hier konnte ich auch gleich noch ein überflüssiges und streichen.

(Die Textbeispiele habe ich mit Dank entnommen aus: www.teltarif.de/sim )

Mein Tipp: Beim dritten Korrekturlesen die Suchfunktion (STRG+F) benutzen und nach dass suchen. Wenn es mühelos beseitigt werden kann, weg damit!

Besser schreiben Tipp #5 – Auf die Verben achten!

a) Verben statt Nomen

Ein guter Text hat viele starke Verben.
Ein guter Text zeichnet sich durch viele starke Verben aus.
Ein guter Text strotzt nur so vor starken Verben.
Man, ist das schwierig…

Du kennst bestimmt die Ausdrücke „Nominalstil“ oder „Bürokratendeutsch“. Gemeint ist ein Stil, der von Nomen dominiert ist. Nomen, die ebensogut Verben sein könnten. Stattdessen werden oft ausdrucksschwache Verben wie sein oder haben verwendet.
Hier ein Beispiel, das ich für diesen Zweck konstruiert habe:

Aufgrund der Vereinbarung VA508 nimmt die freedom manufaktur GmbH seit dem 25. Mai 2018 wesentliche Aufgaben im Hinblick auf die Überwachung der Einhaltungen der Pflichten der Betreiber von datenschutztechnisch relevanten Webseiten sowie der Betreiber und Versender personendatengesteuerter Newsletter und Betreiber von Branchenlösungen zur gesetzesmäßigen Einhaltung und Erfüllung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) wahr.

Zählen wir mal die Verben… ich zähle eins. Nämlich wahrnehmen. Was für ein katastrophaler Satz! Dabei hätte mindestens jedes Nomen mit einem -ung ein schönes Verb abgegeben (überwachen, einhalten, erfüllen).

Der Nominalstil kann durchaus einen Zweck erfüllen. Mit ihm lassen sich nämlich Sachverhalte distanziert und ohne Emotionen beschreiben. Hier ein Beispiel:
„Florian, wenn das Schreiben deiner Texte keinen deutlichen Qualitätsanstieg zur Folge hat, wird ein Arbeitsplatzabbauszenario in Realitätsnähe rücken“, klingt ganz anders als: „Florian, schreib bessere Texte, sonst verlierst du deinen Arbeitsplatz.“ (Originalzitat: Pflanziska)
Zwischenfazit: Die Verben sein und haben sind Indikatoren für einen Nominalstil. Wenn du entdeckst, dass du welche verwendet hast, überlege, ob dir nicht ein anderes Verb einfällt, das mehr aussagt.
Obacht: Es geht um Sein und Haben als Verben, nicht als Hilfsverben. (Ich habe gegessen; ich bin einkaufen.)
Weitere Wörter, die auf einen Nominalstil hindeuten können, sind: machen, tun, lassen, sorgen für.
Beispiel: „Ein Tief sorgt für Regen.“ Besser: „Es wird regnen.“

b) Das richtige Verb finden

Bisher habe ich gezeigt, wie man es falsch macht, wie ausdrucksschwache Verben und Nominalisierungen zu kalten, distanzierten, drögen und schwer zugänglichen Texten führen. Aber das Gegenteil ist auch richtig: Je dynamischer die Verben, desto dynamischer das ganze Lese-Erlebnis!
„Der Räuber bedrohte einen Bankangestellten mit einer Waffe und zwang ihn, das Geld herauszugeben“, ist dynamisch. „Der Täter zwang den Bankangestellten unter Vorhalt der Waffe zur Herausgabe des Geldes“, ist es nicht.
In die Wahl des richtigen Verbs kannst du beliebig viel Zeit investieren. Das ist ein bodenloses Fass. Aber es lohnt sich. Denn:  Verben sind das Wichtigste an deinem Satz. Nicht die Nomen, vor allem nicht die Adjektive, geben den Ton an. Es sind die Verben, mit denen ein Satz steht oder fällt.

Ich kenne zwei Faustregeln, die bei der Jagd nach dem richtigen Verb helfen:
1. Bevorzuge aktive Verben vor passiven.
Der Passiv wirkt indirekt und abstrakt. Er holt deine Leserin nicht ab. Wenn du kannst, benutze immer den Aktiv.
Passiv: „Deine Probleme werden durch unsere whoosh software behoben.“
Aktiv: „Unsere whoosh software löst deine Probleme.“
2. Die mitreißendsten Verben sind Verben der Aktion und der Bewegung.
Alles, was Bewegung suggeriert, egal ob wörtlich oder im übertragenen Sinn, führt auch dazu, dass du deine Leserin bewegst. Fortflattern, fliegen, rennen, tosen, wackeln, tanzen… Mit solchen Verben verströmen deine Sätze Dynamik.

Alles klar soweit? Dann habe ich zum Abschluss noch eine Übung für dich:

Die aufmerksame – am besten mehrfache – Lektüre, konzentrierte Verinnerlichung sowie regelmäßige Anwendung der in diesem Blogbeitrag von mir gegebenen Schreib-Tipps sorgt mit großer Sicherheit für eine Verbesserung und Qualitätssteigerung deiner eigenen Schreiberzeugnisse um mindestens vierundzwanzig Prozent, und hat gewiss bei dir zu einer Bereicherung deiner Strategien zur Textgestaltung beigetragen, sodass du sie zukünftig als einen steten Begleiter mit dir führen wirst, der dich in großer Dankbarkeit und in regelmäßigen Abständen an mich, den Autoren dieses Blogbeitrags, erinnert und dafür sorgt, dass ich aus deinem Gedächtnis nicht verschwinde, vor allem nicht, nachdem du den vorliegenden Satz nach allen Regeln der eben erlernten Kunst zur Verbesserung gebracht hast.